Was ist das – Philosophische Praxis
Das Philosophische Gespräch hat sich als Alternative zum Coaching und zur Psychotherapie bzw. psychologischen Beratung international etabliert. In der Philosophie gibt es schon lange vor der naturwissenschaftlichen Psychologie eine Tradition von Therapieansätzen zur Beförderung eines guten und gelingenden Lebens. Auch die Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit sind Thema philosophischer Texte. Wir sprechen nicht von Patient*Innen oder Klient*Innen, die unsere Praxis aufsuchen, sondern wir sehen Sie als Gast, dem wir auf Augenhöhe offen zuhören und begegnen. Gesellschaftliche Entwicklungen und Kontexte werden mit reflektiert, wenn wir über persönliche Krisen, Depressionen, Überforderung, Angst oder Einsamkeit etc. sprechen.
URSPRÜNGE UND ENTWICKLUNG
Die erste „Philosophische Praxis“ wurde 1981 vom deutschen Philosophen Gerd Achenbach in Bergisch Gladbach bei Köln gegründet. In bewusster Distanzierung von der akademischen Philosophie einerseits und von den Psychotherapien andererseits konkretisierte er die Idee einer philosophischen Lebensberatung. Das Wort „Praxis“ beinhaltet also sowohl den Diskurs um die Frage, was Philosophie in der heutigen Welt sein kann oder sein sollte, als auch einen ganz konkreten Ort, den Menschen aufsuchen können. Die Erfahrungen von Gerd Achenbach, die er in vielen Veröffentlichungen und Kongressen der „Gesellschaft für philosophische Praxis“ mit Kollegen teilte, überzeugten nicht nur die Gäste seiner Praxis, sondern inspirierten auch andere Philosophen, es ihm nachzutun. Inzwischen ist das Format der Philosophischen Praxis zu einer anerkannten internationalen Bewegung angewachsen. Es gibt verschiedene Ausbildungsgänge, einen Berufsverband sowie die Internationale Gesellschaft für Philosophische Praxis, igpp.org , die regelmäßig Kongresse und Austauschplattformen organisiert und bei der ich seit 2019 Mitglied bin. Ich habe die viersemestrige Ausbildung zur „Akademischen Philosophischen Praktikerin“ an der Universität Wien sowie den dreijährigen „Lehrgang der Philosophischen Praxis“ bei Gerd Achenbach absolviert.
Es gibt nicht DIE Philosophische Praxis und es gibt auch keine allgemeinen Methoden der philosophischen Gesprächsführung. In unseren Austauschforen streiten und ringen wir um einen Qualitätsstandard, ohne uns einem Methodenzwang zu unterwerfen. Letztendlich ist es der einzelne Mensch, der sich als Philosoph bzw. Philosophin in den echten Dialog mit seinem Gast begibt. Als solcher ist er und sie immer auch mit seiner/ihrer eigenen Lebensgeschichte anwesend und er schöpft aus einem je individuellen Schatz von philosophischen Lehrmeistern, bei denen er sich stets neu beheimatet und mit denen er seinen eigenen Stil entwickelt. Im Rahmen meiner Promotion festige ich immer wieder neu meine Fundamente und im Ethikunterricht mit meinen Schülerinnen und Schülern an der Berufsschule erlebe ich häufig, wie wirksam Philosophische Gespräche sind. Das bestärkt meine Überzeugung, dass das Philosophische Gespräch eine Alternative ist zu psychologischer Beratung oder Coaching.